Kaiser Ferdinand I. (der Gütige)


*19.4.1793 bis †29.6.1875

Biographie

Ferdinand I., 1835 Nachfolger seines Vaters Franz "des Guten", erhielt den Beinamen "der Gütige" - für manche eine beschönigende Umschreibung seiner körperlichen und geistigen Behinderung, für viele aber Ausdruck der Menschlichkeit in einem starren politischen System, dessen Härten man ihm als Letztem zur Last legen konnte. Böse Absichten konnte ihm niemand unterstellen, auch wenn man ihn als "Nandl den Trottel" oder "Gütinand den Pferdigen" verspottete.

Ferdinand war der älteste Sohn und damit Thronfolger von Kaiser Franz II./I. aus dessen zweiter Ehe mit Maria Theresia von Sizilien. Er wurde von epileptischen Anfällen, Konzentrationsschwächen, Störungen in der Motorik und Schwierigkeiten beim Sprechen gequält, war daher im Kontakt zu anderen Menschen gehemmt und häufig krank. Auch sein Äußeres war wenig anziehend mit einem schiefen "Wasserkopf", einer unproportional hohen Stirn mit plattem Kopf, Habsburgerlippe und hervortretender Nase. Er beherrschte allerdings mehrere Sprachen und interessierte sich für Botanik, Musik, Heraldik und Technologie.
Angesichts seiner mangelnden Eignung als Herrscher gab es Überlegungen, ihn von der Thronfolge auszuschließen, doch bewog letztlich Staatskanzler Fürst Metternich den Kaiser, am Legalitätsprinzip festzuhalten. Seit 1829 durfte Ferdinand an den Sitzungen des Staatsrats teilnehmen, wenn auch als Unbeteiligter, 1830 erfolgte seine Krönung zum König von Ungarn in Pressburg, 1835 folgte er mit knapp 42 Jahren seinem Vater als Kaiser auf den Thron. In seinem Testament hatte Franz I. eine "Geheime Staatskonferenz" mit der Führung der Staatsgeschäfte beauftragt und seinem Sohn empfohlen, Metternich das Vertrauen zu geben und nichts zu verändern. "Regiere, verändere nichts", war die Anweisung des sterbenden Kaisers, die nun befolgt wurde.
Die "Geheime Staatskonferenz" bestand aus Ferdinands Onkel, dem äußerst konservativen Erzherzog Ludwig, der den Vorsitz führte, Ferdinands jüngerem Bruder Franz Karl, dem Vater Franz Josephs, sowie Fürst Metternich und Staatsminister Graf Kolowrat-Liebsteinsky. Die Staatskonferenz regierte bis 1848, wobei die tonangebenden Politiker Metternich und Kolowrat waren, alte Rivalen, aber einig im Aufrechterhalten des Bestehenden. Es war, wie ein Zeitgenosse bemerkte, eine "absolute Monarchie ohne Monarchen". Der Monarch war in dieser Konstruktion entbehrlich, die Kontinuität und Stabilität der habsburgischen Herrschaft aber gesichert. Ferdinand hatte an den Regierungsgeschäften praktisch keinen Anteil, er sorgte nur für die formale Legitimität. In seltenen Fällen aber, wenn er sich mit seiner abweichenden Meinung nicht durchsetzte, entfuhr ihm ein überraschtes "Bin i Kaiser oder net?" - ein Hinweis, das er die Vorgänge um sich sehr wohl zu durchschauen vermochte. Als schwieriges Problem erwiesen sich allerdings seine Repräsentationspflichten, besonders im Kreis "befreundeter" Monarchen, die trotz äußerster Mühe, seinen Zustand zu verschleiern, zu Peinlichkeiten führten.

Ferdinands Regierungszeit, als "Vormärz" bezeichnet, endete mit der Revolution im Jahr 1848, die im März ausbrach. Metternich floh nach London, Ferdinand im Mai mit seiner Familie nach Innsbruck und - nach kurzer Rückkehr - nach Olmütz, wo er am 2. Dezember 1848 zu Gunsten seines Neffen Franz Joseph abdankte. Er lebte bis zu seinem Tod mit seiner Gemahlin Maria Anna von Sardinien-Piemont, die er 1831 auf Anraten Metternichs geheiratet hatte, auf dem Prager Hradschin. Maria Anna war ihm nicht nur eine verständnisvolle Gefährtin und treue Pflegerin, sondern teilte auch seine Interessen, denen sich Ferdinand nun ungestört widmen konnte. Er starb im Alter von 82 Jahren in Prag.